Leben und Weben
Kindheit & Jugend
Ich bin 1940 in Köln geboren und dort aufgewachsen. Auch in unserer Straße, der Eichendorffstraße in Köln-Ehrenfeld, waren einige Häuser zerstört; es wurde wieder aufgebaut; auf der Straße lagen große Sandhaufen, wundervoll zum spielen, ebenso wie die verwilderten grossen Gärten hinter den Häusern, in die wir durch die Ruinen kletternd gelangten. Jedes der Häuser, die etwa 1910 gebaut worden sind und heute alle unter Denkmalschutz stehen, hatte eine gestaltete Fassade, jede anders. Auf beiden Seiten der Straße standen Laubbäume; wir lernten, es waren „Chinesische Götterbäume”. Es gab ein Auto in der ganzen Straße. Die Straße, die zerstörte Annakirche an ihrem Ende, das war unser Abenteuerspielplatz. Ich liebte das Abenteuer. Ich bin heute noch stolz darauf, 1956 mit meinem Fahrrad über die Eifel, an der Mosel entlang, nach Frankreich hinein gefahren zu sein, „auf den Spuren von Jeanne d’Arc”, die meine Heldin und Heilige war. Ein paar Jahre später war ich für einige Monate in Basel. Ich lernte kochen im eleganten Apartment meiner Tante in der St. Alban Vorstadt, ganz nah am Rhein. In der Martinskirche hörte ich ein Konzert mit Agnes Giebel. Im Programmheft stand: sie lebt in Köln. Ich fragte, ob sie mir Gesangsunterricht geben würde. Nein, aber sie brauchte dringend ein Kindermädchen! Dieses Kind und ich, das war Liebe auf den ersten Blick. Agnes zahlte für meine Ausbildung an der Schauspielschule, ich widmete meine freie Zeit dem Kind und erlebte viele wundervolle Proben und Konzerte mit den großen Interpreten der klassischen Musik der damaligen Zeit.
Für das folgende Kapitel meines Lebens bekam ich ein cremefarbenes Abendkleid und hochhackige Sandalen von Agnes: Von der Schauspielschule weg musste ich im Millowitschtheater einspringen im Stück „Zwangseinquartierung”; Franz Schneider und ich waren das Dienerpaar, wir heirateten am Schluß des Stücks. Ich bin 1.78 groß, Franz Schneider war fast 2 Köpfe kleiner als ich mit meinen hohen Absätzen. Wir waren ein solche Lachnummer, dass Willy fast eifersüchtig wurde! Dann tourte ich etwa zwei Jahre lang mit dem Millowitschtheater in Zürich, in Wien, in allen deutschen Kurorten. Das hatte ich überhaupt nicht erwartet, die Lachnummer, ich sah mich doch als tragische Heldin. Im Nachhinein: war gut so!
Griechenland
Wieder ein anderes Kapitel: ich hatte endlich meinen Prinzen gefunden: den Maler Rudolf Bährend. Da ging es dann auf und davon, nichts wie weg hier, und natürlich gen Süden, in die Provence, nach Griechenland, und dort wurde 1966 unsere Tochter Katharina geboren. Ich erlebte auf dem Land die bäuerliche Selbstversorgung, das Brot wurde zu Hause gebacken, jedes Dorf hatte eine Ölmühle, Geschäfte gab es nur in den größeren Orten. Ich lernte die essbaren Wildpflanzen kennen, wir hatten weder Strom noch fließendes Wasser im Haus, ein ganz neues Leben für ein Stadtkind … In jeder Familie wurde noch gesponnen und gewebt. Die bunten, handgewebten Decken waren die Aussteuer für die Mädchen.
München, Frankreich, Freiburg
Als ich in den 70erJahren wieder in Deutschland lebte, suchte ich nach einer Textilklasse an einer Kunstakademie, ohne Erfolg. Ich fand aber eine Firma, die Webstühle herstellte und kaufte dort den Hochwebstuhl, mit dem ich noch heute arbeite. Meine ersten Arbeiten waren einfache bunte Decken, wie ich sie in Griechenland gesehen hatte. Wir lebten in München-Schwabing. Ich konnte eine ehemalige Malerwerkstatt in einem Schwabinger Hinterhof mieten, wo ich dann gemeinsam mit einer Freundin ein Webatelier hatte. Wir unterrichteten, und ich begann meine Arbeiten zu verkaufen. Ich lernte das Färben mit Pflanzen, auch das Spinnen. Es entwickelten sich verschiedene Wege für meine Arbeiten: Bildteppiche; traditionelle geometrische Gestaltungen; handgesponnene und gewebte Wolldecken, Ponchos und Schals. In den 70er- und 80erJahren habe ich viel Zeit auf dem Weingut meiner Freunde in Südwestfrankreich verbracht. In Deutschland lebten wir in Freiburg i. Br. Es war schön, so nah an Frankreich, so nah bei Basel zu sein. Auch in Freiburg konnte ich Weben unterrichten und in einem größeren Projekt mit Frauen einen Bildteppich für ihre Pfarrkirche gestalten. Ich organisierte Ausstellungen in meinem Atelier und bekam Aufträge.
Kalifornien
Im Jahr 1984 lernte ich meinen Partner Jacques Overhoff kennen. Er hat in Kalifornien grosse Projekte „Kunst im Öffentlichen Raum” gestaltet. Ich lebte mit ihm in Sausalito/San Francisco. Mein Webstuhl war mitgereist. Es entstanden Bildteppiche nach seinen graphischen Entwürfen. Ich war beteiligt bei einigen seiner Projekte. Wir arbeiteten vor Ort, an der Baustelle, und so lernte ich Amerika und viele wunderbare Freunde dort kennen. Etwas Besonderes war meine Arbeit mit den Kindern einer Montessori-Schule in Corte Madera, direkt an der Bucht von San Francisco. ich konnte mit dem Mountainbike zur Arbeit fahren!
Ahrtal & Köln
Wir sind Anfang der 90erJahre nach Europa zurückgekommen und leben nun schon viele Jahre im Ahrtal. Jacques unterrichtete an der Alanus Hochschule in Alfter/Bonn und an der Technischen Hochschule in Arnhem/Niederlande. Unsere amerikanische Tochter Serena hat bei vielen Besuchen das gute Leben hier im Ahrtal mit uns geteilt, ebenso wie viele unserer Freunde aus Amerika und Europa. Liebe und Freundschaft sind der Kitt unseres Lebens! Für mich sind die textilen Arbeiten mein basso continuo, ich webe und spinne und färbe immer weiter. Aber ich habe auch noch andere Seiten, andere Möglichkeiten, und so kam es, dass ich 25 Jahre lang Domführerin und Stadtführerin in Köln war. Ende Oktober vergangenen Jahres habe ich beschlossen, es reicht. Nun konzentriere ich mich wieder mehr auf die Arbeit im Atelier und habe mich sehr über das Angebot einer Ausstellung meiner Arbeiten in der Ehrenwall’schen gefreut!
So long – keep on trucking – wie man in Amerika sagt …